Mit zwei Siegen ganz am Ende der EM-Quali schafft das Österreichische Männernationalteam den Turn-Around und qualifiziert sich für die Europameisterschaft in Kroatien.
DAS BESTE KOMMT ZUM SCHLUSS. Gar nichts für schwache Nerven war diese EM-Qualifikation für Handball Österreich. Im Zeitraffer: Nach der überraschenden Auftaktniederlage zu Hause gegen Finnland folgte ein ähnlich überraschender Auswärtssieg gegen Bosnien-Herzegowina.Gegen Spanien scheiterte man dann im Heimspiel knapp an der Sensation, auswärts war man dran, aber chancenlos. In den letzten beiden Spielen gegen Finnland und in der Albert-Schultz-Halle gegen Bosnien-Herzegowina mussten also Siege her.
Aufgrund der Verletzungssorgen im Team mit Ausfall des Mittelblocks (beide Hermann-Brüder, Romas Kirveliavicius) wurde mit Vytas Ziura deshalb der herausragende HLA-Spieler der letzten Jahre (7x „Spieler des Jahres“, seit 2013 fünfmal hintereinander) fürs Team reaktiviert.
Der mittlerweile 38-jährige FIVERS-Regisseur wurde vor einem Jahr am selben Tag wie Viktor Szilagyi eigentlich schon aus seiner Team-Karriere verabschiedet. Und die Rechnung von Teamchef Patrekur Jóhannesson ging auf: In der Defensive wie in der Offensive konnte Ziura dem jungen Team in der entscheidenden Qualifikationsphase jene Stabilität geben, die mitentscheidend für die beiden Siege war. Finnland wurde auswärts mit 39:36 besiegt, Bosnien-Herzegowina zu Hause mit 34:32 niedergerrungen. Jóhannesson bringt die Ereignisse auf den Punkt: „Rückblickend betrachtet, war die Niederlage vor Heimpublikum gegen Finnland das Beste was uns passieren konnte. Wir haben in kurzer Zeit das Spiel sehr gut analysiert und daraus gelernt.“ Schon der Auswärtssieg gegen Bosnien-Herzegowina machte klar, dass allen Unkenrufen zum Trotz mit Österreich zu rechnen sein wird. Jóhannesson weiter, schon mit Blickrichtung Kroation: „Diese Quali erfüllt mich mit Stolz. So wie sich die Mannschaft präsentiert hat, wie sie zusammengerückt ist, war einfach großartig. Höhen und Tiefen sind im Sport normal. Bis zur EM müssen wir, die Vereine und auch die Spieler die Zeit richtig gut nützen. Die Belastung bei einer Endrunde ist enorm hoch, dort spielen nur Top-Mannschaften!“
FÜR ÖSTERREICH: IMMER EIN FÜNFER AUF DER BRUST. Im aktuellen ÖHB-Team agierten zuletzt sechs Spieler, die entweder für die FIVERS spielen (All-Old-Star Ziura), erst vor kurzer Zeit ins Ausland wechselten (Kroatien-Neo-Transfer Kristian Pilipovic, Kiel-Star Nikola Bilyk, der ins Team zurückgekehrte Tobias Wagner von Ballingen-Weilstetten, der verletzt fehlende Romas Kirveliavicius – aktuell HSC Coburg) oder wie Thomas Bauer (derzeit Pays d’Aix UC, Frankreich) sich schon vor längerer Zeit von Margareten aus in die weite Handballwelt wagten.
Eine Tatsache, die die Handballcity Margareten natürlich stolz macht, die den Weg als erfolgreichster Ausbildungsverein im Handball der letzten Jahre bestätigt. Und es ist gerade der in Litauen geborene Vytas Ziura, der einfache, aber mächtige Worte spricht: „Es ist und war immer eine Ehre für mich für Österreich zu spielen. Dieses Land hat mir so viel gegeben, das will ich zurückgeben.“ Thomas Bauer nach den nervenaufreibenden Finalspielen über Ziura: „Er hat gespielt wie ein junger Gott. Er hat für Österreich alles gegeben. Vielleicht ist er mehr Österreicher als wir …“ Bauer weiß‘ aber wie alle anderen auch, dass der notwendige Umbau des Nationalteams in vollem Gange ist und dass dieser Weg gegenwärtig erfolgreich ist: „Die jungen Wilden haben uns herausgerissen!“ Gemeint ist damit ein stark aufspielender Sebastian Frimmel (Westwien, 21 Jahre), der den ebenfalls verletzten Raul Santos sehr stark vertreten hat. Und dann sind da noch Nikola Bilyk (mit acht Toren Top-Scorer gegen BIH, 20 Jahre) und der FIVERS-Goalie der letzten Jahre, Kristian Pilipovic (ab 2017/18 NEXE, 22 Jahre).
Pilipovic kam kurz vor der Halbzeitpause gegen Bosnien-Herzegowina für Bauer ins Tor und machte gleich einmal „dicht“ – in diesem Spiel ein ganz wichtiger Faktor für den gelungenen Turn-Around und damit für das Erreichen der EM-Endrunde. Unglaublich starke zweieinhalb Minute vor der Pause und Monstersaves gegen Bosniens Shooter in Hälfte Zwei sorgten für den Umschwung.
Symbolisch für die Willensstärke des gesamten Teams der Ausgleich von Tobias Wagner kurz vor dem Pausenpfiff: Der lange verletzt gewesene Kreisspieler setzt auf der Linie alles ein, was er aufzubieten hat und sorgt für das 17:17 und Jubelstimmung in der Halle.
FÜR ÖSTERREICH: AUF NACH KROATIEN! Es werden letztlich die „Jungen“ sein, die die Handballzukunft Österreichs formen werden. Die EM-Teilnahme in Kroatien ist dafür ein ganz wichtiger Baustein. Natürlich will man sich dort so teuer wie möglich verkaufen, die europäische Konkurrenz ist jedoch unheimlich stark.
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Österreich wurde für die Auslosung in den vierten und damit „letzten“ Lostopf gesetzt. Gemeinsam mit Ungarn, Slowenien und Dänemark. Wie stark Europas Handball offensichtlich ist, macht schon diese Setzung klar: Alle drei „gleichwertigen“ Nationen holten in den letzten Jahren bei Europa- und Weltmeisterschaften Topplatzierungen. Dänemark wurde erst 2016 Olympiasieger, davor zweimal Europameister, bei der WM zweimal Zweiter. Ungarn war in den letzten Jahren bei Großereignissen fast immer unter den vorderen Top-Ten, scheiterte bei Olympia zweimal knapp an Medaillen. Und Island ist auch immer für eine Top-Platzierung gut: eine der herausragendsten Handballnationen der letzten Jahrzehnte: Eine Silber-Medaille bei Olympia 2008 und der 3. Platz bei der EM 2010 sprechen für sich. Das „eigentliche“ Ziel ist für Österreich der Aufbau eines starken Teams für 2020, für die Heim-EM, die gemeinsam mit Schweden und Norwegen ausgetragen wird. Bis dahin sollen Spieler wie Niko Bilyk, Sebastian Frimmel oder Kristian Pilipovic an europäisches Top-Niveau herangeführt werden. Freilich: Mit Untersützung von starken Teamstützen wie Robert Weber, Janko Bosovic (beide ganz stark gegen Bosnien-Herzegowina), Gerald Zeiner und der bei der EM in Kroatien wieder fitten, derzeit fehlenden Spieler. Und es wird mit Sicherheit noch der eine oder andere „Junge Wilde“ dazukommen und einen ähnlichen Weg wie der derzeit international schon extrem starke Niko Bilyk gehen. Bilyk ist es auch, der den Weg des Teams der Zukunft mit seinen 20 Jahren bereits formuliert: „Jeder von uns hat davon geträumt. Wir haben nie aufgehört an uns zu glauben, haben alles reingeworfen. Wir wollten es mehr als alles andere. Ich kann nichts anderes sagen, außer dass ich mich freue. Ich bin so stolz auf die Mannschaft.“
Es werden diese Träume, dieser Glaube an sich selbst und dieses „Wollen – mehr als alles andere“ sein, die über den Erfolg des österreichischen Handball-Teams in Zukunft entscheiden werden. Prognose: Alles wird gut, daran wird hart gearbeitet. Und die FIVERS werden in Zukunft wie in der Gegenwart und Vergangenheit ordentlich mitarbeiten.