So mancher Hollywood-Regisseur hätte eine Freude mit der Handballcity Margareten, der rote Faden fürs Kinoformat wäre schnell gefunden: Underdogs arbeiten hart, geben alles für ihr Ziel und gewinnen gegen „die Macht“. Zusatz: Diese Geschichte beruht auf wahren Tatsachen.
Die Geschichte zum Film beginnt im Vorjahr, eigentlich aber schon mehr als zehn Jahre davor. Die FIVERS starten ein ehrgeiziges Projekt, die „geheime“ Mission lautet schlicht und einfach: Eigenbau. So weit, so gut. 2009 kommt der erste Cup-Sieg seit 1999, in der Saison danach folgt im sechsten Anlauf der allererste Meistertitel. Aus den „Siegern der Herzen“ (das konnte man in Margareten nach fünf Finalteilnahmen schon nicht mehr hören) wurden „Meister“. Damals noch mit „nur“ rund 60 Prozent Spielern aus dem eigenen Nachwuchs. Aber der Eigenbau wächst, Jahr für Jahr erhält man den HLA-Nachwuchspreis (mittlerweile 13-mal hintereinander) und so „nebenbei“ drei österreichische Cup-Titel.
Der große Durchbruch kommt dann im Vorjahr: In der Saison 2015/16 holen die FIVERS als erstes Team überhaupt in Österreichs Handballgeschichte das „Triple“ aus Supercup, ÖHB-Cup und – ENDLICH wieder – den Meistertitel. Der Anteil der Eigenbauspieler liegt bei 80 Prozent. Im Sommer nach dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte verlassen dann gleich fünf Spieler die FIVERS (oder beenden ihre Karriere). Mit „Eigenbau“ Niko Bilyk verabschiedet sich eines der wohl größten Handball-Talente der Welt zum THW Kiel. Der große Umbruch wird wie die Jahre zuvor nicht durch Zukauf kompensiert, die FIVERS setzen voll auf die Marke „Eigenbau“, ziehen gleich fünf Spieler aus der Bundesligamannschaft des Vorjahrs in den HLA-Kader hinauf. Alles andere als das ambitionierte Mitspielen in der HLA grenzt da schon an ein kleines Wunder. Die Erwartungshaltung an die heurige Saison ist deshalb vorsichtig und bescheiden, Peter Eckl noch im Herbst:
Schade, dass gleich nach einem so tollen Jahr der Wechsel und die Notwendigkeit zur Neuausrichtung kommt. Jeder Trainer würde gerne mit einer so eingespielten Mannschaft über ein paar Jahre weiterarbeiten und noch weitere, vielleicht noch größere Erfolge feiern. Aber so ist die Realität als Ausbildungsverein. … Ich erwarte mir, dass wir weiterhin konzentriert und konsequent bleiben. Die momentane Situation soll uns motivieren, noch schneller noch besser zu werden. Wir haben gesehen, dass auch heuer mit Glück und Gesundheit ein Titel möglich ist, auch wenn wir bis jetzt nicht den Fokus darauf gelegt haben.“
Und dass der FIVERS-Mastermind mit seiner Einschätzung recht gehabt hat, ist seit dem Ostersamstag Realität. Die Saison 2016/17 ist aus der Sicht der FIVERS bereits bisher erfolgreich verlaufen: Platz 2 im Playoff war in Anbetracht der Neuausrichtung des Teams mehr als erwartet werden durfte. Mit dem Cup-Sieg belohnen sich die FIVERS für ihre konsequente und harte Arbeit, welche untrennbar mit gezielter Nachwuchsarbeit verbunden ist. Der Eigenbauanteil macht übrigens gegenwärtig 90 Prozent aus; mehr geht fast nicht. Die budgetären Möglichkeiten sind im Unterschied zu den größten Konkurrenten aus Vorarlberg weitaus bescheidener: Schon die Nennung der verkündeten Neuverpflichtungen oder Vertragsverlängerungen in Hard (Tanaskovic, Zeiner, Hurich, Knauth, Raschle) und Bregenz (Barbaskas, Kikanovic) für die Folgesaison macht das klar. Vor diesem Hintergrund ist sowohl der 30:29 – Halbfinal-Sieg gegen Hard, als auch der eigentliche 27:21 – Cup-Sieg gegen eine starke HSG Graz (Respekt!) nicht hoch genug einzuschätzen. Alles, was jetzt noch in den K.O.-Spielen der HLA bis zu einem möglichen Finale kommt, ist Draufgabe. Die jungen Margaretner können befreit aufspielen, können Handballösterreich zeigen, dass mit ihnen zu rechnen ist. Und wer weiß, vielleicht bekommt die Hollywood-Story sogar noch eine Draufgabe, auch wenn diese gar nicht mehr notwendig ist.
Eine starke Mischung als Erfolgsrezept
Wie in der bisherigen Saison zeigten die FIVERS auch beim Cup-Final-4, dass sie stetig an Breite im Kader gewinnen und dabei gleichzeitig auf extrem starke, erfahrene Spielerpersönlichkeiten vertrauen können. Vytas Ziura als Lenker, Denker, Spielmacher und Motivator in einer Person ist auch mit seinen bald 38 Jahren einer der herausragendsten Spieler Österreichs. Spieler wie Markus Kolar, Herbert Jonas und Mathias Nikolic geben mit ihrer Erfahrung den jungen Spielern Rückhalt und sorgen dabei selbst für Akzente. Im Finale mit sieben Treffern ganz stark: David Brandfellner. Kristijan Pilipovic zeigte mit einer makellosen Leistung seine große Klasse, war in beiden Spielen der notwendige Rückhalt. Und mit Ivan Martinovic ist der nächste „Eigenbau-Export“ in eine der großen Ligen praktisch vorprogrammiert. Man kann jetzt schon gespannt sein, inwieweit sich dieser bunte Haufen an Handball-Margaretnern in der nun folgenden Meisterschaftsphase noch steigern wird können, wie sehr es Peter Eckl noch gelingt, das vorhandene Potenzial auszureizen.
Ein Wochendende für die Sportgeschichte: Auch Frauen der MGA FIVERS holen Cup-Sieg, entmachten HYPO NÖ
Das Osterwochenende 2017 geht in die Sportgeschichte ein. Noch nie zuvor konnten an in einer Saison im Teamsport das Frauenteam und das Männerteam mit gleicher Heimstätte einen nationalen Titel gewinnen. Seit dem 15. April 2017 ist das anders. Zusätzlich zum Triumph der FIVERS WAT Margareten beendeten die Damen der MGA FIVERS den Alleinanspruch von HYPO Niederösterreich im Handballsport, fügten die Margaretnerinnen den HYPO-Girls die wohl erste Niederlage im nationalen Handball seit Jahrzehnten zu. 29-mal holte HYPO seit dem Jahr 1988 den ÖHB-Cup, 2017 heißen die aktuelle Cup-Siegerinnen MGA FIVERS.
Die Handballcity Margareten brummt also: Bleibt zu hoffen, dass diese Erfolge auch so manche potenzielle Förderer und Sponsoren davon überzeugen können, dass in Margareten hart an der eigenen Entwicklung als Basis für den Erfolg gearbeitet wird und sich deshalb neben dem sportlichen Erfolg auch der finanzielle Rückhalt auf hohem Niveau etabliert.